30.07.2019

Befristete Arbeitsverhältnisse: Keine Beschränkung des Werbungskostenabzugs auf Entfernungspauschale

In zwei Urteilen hat der Bundesfinanzhof (BFH) über Fahrtkosten von Leiharbeitnehmern entschieden. Danach ist ein Leiharbeitnehmer nicht auf den Abzug der Entfernungspauschale beschränkt, wenn er befristet angestellt ist und nacheinander an zwei verschiedenen Tätigkeitsstätten eingesetzt wird; er kann dann jedenfalls für die zweite Tätigkeitsstätte für die Hin- und Rückfahrt jeweils 0,30 € pro gefahrenen Kilometer als Werbungskosten geltend machen.

Anders ist dies, wenn der Arbeitnehmer Arbeitsverhältnisse nur für einen Tag abschließt und an diesem Tag nur an einer Tätigkeitsstätte arbeiten muss; er kann dann nur die Entfernungspauschale geltend machen.

Hintergrund: Für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte kann der Arbeitnehmer eine Entfernungspauschale von 0,30 € pro Entfernungskilometer als Werbungskosten geltend machen. Für andere beruflich veranlasste Fahrten kann der Arbeitnehmer die tatsächlichen Kfz-Kosten geltend machen.

Sachverhalt: In den beiden Fällen ging es jeweils um Leiharbeitnehmer. Der eine Kläger war bei einer Zeitarbeit-GmbH als Helfer zunächst bis zum 30.11.2012 beschäftigt; der Arbeitsvertrag wurde anschließend mehrfach verlängert, zuletzt bis zum Mai 2014. Anschließend wurde der befristete Arbeitsvertrag in einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit dem Entleiher, einer AG, umgewandelt. Der Kläger wurde 2012 von der AG entliehen und zunächst in Y-Stadt eingesetzt; seit November 2012 war er für die AG in X-Stadt tätig, auch im Streitjahr 2014. Der Kläger machte für die Fahrten von seiner Wohnung zum Betrieb der AG (Entleiherin) in X-Stadt 0,30 € je gefahrenen Kilometer geltend, also für Hin- und Rückfahrt. Das Finanzamt erkannte nur die Entfernungspauschale an, also nur 0,30 € für die einfache Strecke.

Der andere Kläger war Hafenarbeiter und bei der Hamburger Gesamthafenbetriebs-Gesellschaft (GHBG) angestellt, die als "besonderer Arbeitgeber" gilt und ihre Arbeitnehmer den Einzelbetrieben im Hafen zuweist. Der Kläger wurde von der GHBG im Streitjahr 2014 insgesamt fünf Einzelbetrieben zugewiesen. Er machte die Kosten für die Fahrten zu den Betrieben mit jeweils 0,30 € für jeden gefahrenen Kilometer geltend. Auch hier erkannte das Finanzamt nur die Entfernungspauschale an, also nur den hälftigen Betrag.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage des für die AG in X-Stadt tätigen Helfers statt.

Der Helfer hatte keine erste Tätigkeitsstätte und war daher nicht auf den Abzug der Entfernungspauschale beschränkt. Eine erste Tätigkeitsstätte setzt nämlich voraus, dass der Arbeitnehmer ihr dauerhaft zugeordnet wird. An dieser dauerhaften Zuordnung fehlte es. Denn nach dem Gesetz ist eine dauerhafte Zuordnung nur gegeben, wenn der Arbeitnehmer unbefristet oder für die Dauer des Dienstverhältnisses oder für mehr als 48 Monate an der Tätigkeitsstätte arbeiten soll.

  • Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis wie im Streitfall scheidet das Kriterium einer unbefristeten Tätigkeit ohnehin aus.
  • Die Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses ist zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer wie hier nacheinander zwei verschiedenen Tätigkeitsstätten zugeordnet wird, nämlich zuerst der Betriebsstätte der AG in Y-Stadt im Jahr 2012 und anschließend der Betriebsstätte der AG in X-Stadt seit 2012 und damit auch im Streitjahr. Da es auf die Sicht zu Beginn der jeweiligen Zuordnung ankommt, war es ausgeschlossen, dass er für das gesamte Beschäftigungsverhältnis der Betriebsstätte in X-Stadt zugeordnet wird; denn diese Zuordnung konnte nur noch das verbleibende Arbeitsverhältnis betreffen, nachdem der Helfer zuvor in Y-Stadt tätig geworden war. Bei der Tätigkeit in X-Stadt handelte es sich auch nicht um ein neues Beschäftigungsverhältnis, sondern um die Fortsetzung des bisherigen Arbeitsvertrags, der 2012 begonnen worden war.

Hinsichtlich des Hafenarbeiters verwies der BFH die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück.

  • Der Kläger hatte zwei Arbeitgeber, nämlich die GHBG sowie den jeweiligen Einzelbetrieb. Während der Tätigkeit für den Einzelbetrieb hatte diese Tätigkeit Vorrang, so dass die Arbeitgeberstellung der GHBG nur nachrangig war und lediglich eine Auffangfunktion hatte. Dem Einzelbetrieb stand das Weisungsrecht zu, und er war zur Lohnzahlung verpflichtet.
  • Bezüglich der Tätigkeit des Einzelbetriebs war der Kläger dauerhaft einer Tätigkeitsstätte zugeordnet, nämlich dem jeweiligen Einzelbetrieb. Denn er war für die Dauer des Dienstverhältnisses dem Tätigkeitsort des jeweiligen Einzelbetriebs zugeordnet. Dass das Dienstverhältnis unter Umständen nur einen Tag dauerte, ist unbeachtlich.
  • Allerdings muss das FG noch aufklären, ob die jeweiligen Einzelbetriebe überhaupt über eine ortsfeste betriebliche Einrichtung verfügten. Sollte dies nicht der Fall sein, hätte der Kläger keine erste Tätigkeitsstätte gehabt und könnte die Fahrtkosten sowohl für die Hinfahrt als auch für die Rückfahrt abziehen.

Hinweise: Der BFH stellt klar, dass der Gesetzgeber für nur eintägige Arbeitsverhältnisse keine gesonderte Regelung treffen muss. Ein Arbeitnehmer, der nur für einen Tag einen Arbeitsvertrag abschließt, hat danach stets eine erste Tätigkeitsstätte, sofern die übrigen Voraussetzungen wie eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers erfüllt sind.

Quelle: BFH, Urteile v. 10.4.2019 - VI R 6/17 (Helfer) und VI R 36/16 (Hafenarbeiter); NWB

Hinweis: Dieser Artikel ist vom 30.07.2019. Bitte achten Sie darauf, dass Informationen zu der genannten Thematik bereits überholt sein könnten.

30.07.2019

NWB Rechnungswesen - BBK

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