31.01.2018
Der Kläger in einem Finanzgerichtsverfahren kann bei unangemessen langer Verfahrensdauer mit Hilfe einer sog. Verzögerungsrüge für jeden Monat der Verzögerung einen Schadensersatz von 100 € monatlich zuzüglich fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz vom Staat verlangen. Dabei kann er diesen Schadensersatz in Ausnahmefällen auch für einen Zeitraum, der mehr als sechs Monate vor der Erhebung der Verzögerungsrüge zurückliegt, geltend machen.
Hintergrund: Im Fall einer unangemessen langen Verfahrensdauer eines Finanzgerichtsverfahrens steht einem Kläger ein Entschädigungsanspruch von 100 € pro Verzögerungsmonat zu. Hierfür muss er zunächst beim Finanzgericht (FG) eine sog. Verzögerungsrüge erheben. Nach Ablauf von sechs Monaten kann er dann eine Entschädigungsklage beim Bundesfinanzhof (BFH) erheben, der über die Entschädigung entscheidet.
Streitfall: Der Kläger erhob im Juli 2012 beim FG Klage. Im Januar 2013 erhob er zum ersten Mal eine Verzögerungsrüge. Im Februar 2013 waren die unterschiedlichen Standpunkte zwischen dem Finanzamt und ihm ausgetauscht, so dass eine Entscheidung ab diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Im August 2013 erhob er zum zweiten Mal eine Verzögerungsrüge; hierauf erhielt er die Antwort des FG, dass das Verfahren voraussichtlich bis Ende des Jahres 2014 abgeschlossen werde. Im Juli 2015 erhob er dann zum dritten Mal eine Verzögerungsrüge. Erst im Dezember 2015 erging die Ladung zur mündlichen Verhandlung. Im April 2016 kam es dann zu einem gerichtlichen Vergleich. Im Mai 2016 erhob der Kläger beim BFH eine Entschädigungsklage und machte eine Verzögerung von 16 Monaten und damit einen Schadensersatz von 1.600 € zzgl. Zinsen geltend. Das beklagte Bundesland zahlte dem Kläger nur eine Entschädigung für zehn Monate, mithin 1.000 € zzgl. Zinsen.
Entscheidung: Der BFH sprach dem Kläger auch für weitere sechs Monate eine Entschädigung und somit 600 € (6 x 100 €) zzgl. Zinsen zu:
Hinweise: Den richtigen Zeitpunkt für die Erhebung einer Verzögerungsrüge zu treffen, ist nicht ganz einfach. Einerseits darf sie nicht zu früh erhoben werden, da sie sonst unwirksam ist; deshalb müssen bereits Anhaltspunkte für eine Verzögerung ersichtlich sein. Andererseits darf sie auch nicht zu spät erhoben werden, da sonst eine Entschädigung für den bereits abgelaufenen Zeitraum nur eingeschränkt möglich ist, nämlich grundsätzlich nur für die letzten sechs Monate. Der BFH macht aber deutlich, dass die Geduld eines Klägers auch nicht bestraft werden soll, wenn der Kläger auf eine Ankündigung des Gerichts vertraut und deshalb mit einer Verzögerungsrüge noch etwas wartet.
Unter Kostengesichtspunkten ist es übrigens ratsam, den Beklagten zunächst außergerichtlich zu einer Zahlung der Entschädigung aufzufordern. Denn anderenfalls trägt der Kläger die Kosten für das Entschädigungsverfahren, falls der Beklagte den Zahlungsanspruch sogleich anerkennt.
Quelle: BFH, Urteil v. 29.11.2017 – X K 1/16; NWB
Hinweis: Dieser Artikel ist vom 31.01.2018. Bitte achten Sie darauf, dass Informationen zu der genannten Thematik
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