12.11.2020

Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben

Das Finanzamt darf die Erbschaftsteuer im Wege der Schätzung gegen unbekannte Erben festsetzen, wenn die Erben noch nicht bekannt sind und ein Nachlasspfleger bestellt worden ist. Die Schätzung ist aber erst dann zulässig, wenn der Nachlasspfleger ausreichend Zeit hatte, die Erben zu ermitteln. In der Regel ist ein Zeitraum von einem Jahr ab dem Erbfall angemessen, so dass nach Ablauf des Jahres die Erbschaftsteuer geschätzt und gegen die unbekannten Erben festgesetzt werden kann.

Hintergrund: Die Erbschaftsteuer wird gegenüber den Erben festgesetzt. Gibt es einen Nachlasspfleger, ist der Erbschaftsteuerbescheid ihm gegenüber bekannt zu geben. Ein Nachlasspfleger wird bestellt, wenn der Erbe noch nicht bekannt ist oder wenn nicht sicher ist, ob der Erbe die Erbschaft angenommen hat.

Sachverhalt: Der Erblasser verstarb am 27.2.2014. Die Erben waren zunächst nicht ermittelbar. Am 5.6.2014 wurde ein Nachlasspfleger bestellt, der eine Erbschaftsteuererklärung abgab. Das Finanzamt setzte am 27.4.2015 Erbschaftsteuer in Höhe von ca. 330.000 € gegen die „unbekannten Erben“ fest. Dabei erging der Bescheid hinsichtlich der Anzahl der Erben, der Erbanteile und der persönlichen Freibeträge vorläufig. Das Finanzamt schätzte im Bescheid, dass es 20 Erben gab, die jeweils 5 % geerbt haben und mit dem Erblasser nicht verwandt waren. Nachdem der Nachlasspfleger Einspruch eingelegt hatte, setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer auf ca. 265.000 € herab und ging nunmehr von 30 Erben aus. Erst im Klageverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) wurden die Erben festgestellt und die Nachlasspflegschaft aufgehoben; die Erben wurden nun Kläger.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Sind die Erben nicht bekannt und besteht eine Nachlasspflegschaft, kann die Erbschaftsteuer gegen die unbekannten Erben festgesetzt werden. Der Bescheid ist gegenüber dem Nachlasspfleger bekannt zu geben.
  • Die Erbschaftsteuer ist zu schätzen, da die einzelnen Umstände noch nicht bekannt sind. Zu schätzen sind somit die Anzahl der Erben, die Größe der Erbteile, d.h. die jeweilige Erbquote, sowie das Verwandtschaftsverhältnis, das für die Steuerklasse und den Freibetrag maßgeblich ist.
  • Allerdings darf das Finanzamt erst dann schätzen, wenn der Nachlasspfleger ausreichend Zeit hatte, die Erben zu ermitteln. Dieser Zeitraum hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In der Regel ist ein Zeitraum von einem Jahr ab dem Tod des Erblassers angemessen, wenn die Ermittlung der Erben keine besonderen Schwierigkeiten aufweist. Dieser Zeitraum kann sich allerdings verlängern, wenn es zu Verzögerungen bei der Bestellung des Nachlasspflegers kommt, wenn genealogische Recherchen im Ausland erforderlich werden oder wenn fehlende Urkunden in den Fällen der Auswanderung, des Krieges oder der Vertreibung zu berücksichtigen sind.
  • Die Schätzungsbefugnis steht zwar zunächst dem Finanzamt zu. Sie geht aber auf das Finanzgericht über, wenn es zu einem Klageverfahren kommt. Werden die Erben bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht nicht ermittelt, darf das Finanzgericht die Schätzung des Finanzamts überprüfen und ggf. selbst schätzen. Hingegen fällt die Schätzungsbefugnis des Finanzgerichts weg, wenn die Erben bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ermittelt werden. Die Verhandlung vor dem Finanzgericht fand ca. drei Jahre und fünf Monate nach dem Tod des Erblassers statt, so dass es in jedem Fall angemessen war, die Erbschaftsteuer im Wege der Schätzung und ohne Kenntnis der Erben festzusetzen.

Hinweis: Im Streitfall war die Schätzung inhaltlich nicht zu beanstanden. Der Nachlasspfleger ging von 30 Erben aus. Angesichts der Höhe des Nachlasses war nicht anzunehmen, dass einer der Erben die Erbschaft ausschlagen würde. Auch die Einstufung in die ungünstige Steuerklasse III war nicht zu beanstanden. Im Übrigen wirkte sich die hohe Anzahl der Erben positiv aus, weil der Freibetrag von jeweils 20.000 € für jeden der 30 Erben berücksichtigt wurde.

Für die noch unbekannten Erben kann die Schätzung zwar nachteilig sein. Jedoch wird das Finanzamt einen Vorläufigkeitsvermerk festsetzen, wie dies auch im Streitfall geschehen ist. Aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks kann dann die Festsetzung der Erbschaftsteuer geändert werden, wenn die Erben ermittelt werden.
 

Quelle: BFH, Urteil vom 17.6.2020 - II R 40/17; NWB

Hinweis: Dieser Artikel ist vom 12.11.2020. Bitte achten Sie darauf, dass Informationen zu der genannten Thematik bereits überholt sein könnten.

12.11.2020

NWB Rechnungswesen - BBK

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