16.03.2021

Vorsteuerberichtigung bei Einstellung der umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit und Fortführung der umsatzsteuerfreien Tätigkeit

Ein Unternehmer ist zur Vorsteuerberichtigung zu seinen Ungunsten verpflichtet, wenn er ein Gebäude, das er sowohl umsatzsteuerpflichtig als auch umsatzsteuerfrei nutzen wollte, tatsächlich nur noch umsatzsteuerfrei nutzt. Unbeachtlich ist, dass er die umsatzsteuerpflichtige Nutzung wegen Erfolglosigkeit eingestellt hat. Hingegen kann eine Vorsteuerberichtigung unterbleiben, wenn der Unternehmer die Nutzung des Gebäudes insgesamt einstellt.

Hintergrund: Der Vorsteuerabzug ist grundsätzlich nicht möglich, soweit ein Unternehmer umsatzsteuerfreie Umsätze ausführt. Die Nutzung eines Gebäudes kann sowohl umsatzsteuerpflichtig als auch umsatzsteuerfrei erfolgen. Der Vorsteuerabzug ist dann nur im Umfang der beabsichtigten umsatzsteuerpflichtigen Nutzung möglich. Ändert sich aber in den nächsten zehn Jahren das Verhältnis der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze zu den umsatzsteuerfreien Umsätzen, ist eine Vorsteuerberichtigung durchzuführen. Die Vorsteuerberichtigung kann sich zugunsten des Unternehmers auswirken, wenn der Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze gestiegen ist, oder aber zuungunsten des Unternehmers, wenn der Anteil der umsatzsteuerfreien Umsätze gestiegen ist.

Streitfall: Die Klägerin betrieb ein Altenheim umsatzsteuerfrei und errichtete im Jahr 2003 eine Cafeteria, die sowohl von den Heimbewohnern umsatzsteuerfrei als auch von auswärtigen Gästen umsatzsteuerpflichtig genutzt werden sollte. Die Klägerin legte einen Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze von 90 % zugrunde und zog daher die Vorsteuer aus den Herstellungskosten zu 90 % ab. Tatsächlich wurde die Cafeteria aber in der Folgezeit von auswärtigen Gästen kaum aufgesucht. Im streitigen Zeitraum 2009 bis 2012 nutzten wohl nur noch Heimbewohner die Cafeteria, so dass die Klägerin allenfalls noch umsatzsteuerfreie Umsätze aus der Cafeteria erzielte. Das Finanzamt berichtigte die Vorsteuer deshalb zuungunsten der Klägerin.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine Vorsteuerberichtigung zuungunsten der Klägerin grundsätzlich für rechtmäßig, verwies die Sache aber an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:

  • Eine Vorsteuerberichtigung ist durchzuführen, wenn sich der Anteil der umsatzsteuerfreien oder umsatzsteuerpflichtigen Umsätze innerhalb von zehn Jahren verändert hat. Im Streitfall hat die Klägerin keine umsatzsteuerpflichtigen Umsätze mehr ausgeführt, obwohl sie bei dem Bau der Cafeteria von einem Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze von 90 % ausgegangen war.
  • Sollte die Cafeteria im Zeitraum 2009 bis 2012 nur von Heimbewohnern genutzt worden sein, hätte sich der Anteil der umsatzsteuerfreien Umsätze von 10 % auf 100 % erhöht. Es wäre dann eine Vorsteuerberichtigung zuungunsten der Klägerin durchzuführen.
  • Anders wäre dies, wenn die Klägerin gar keine Umsätze mehr erzielt hätte, sondern den Betrieb der Cafeteria eingestellt hätte. Eine Vorsteuerberichtigung wäre dann nicht durchzuführen.
  • Das FG muss nun aufklären, ob die Cafeteria im Zeitraum von 2009 bis 2012 von den Heimbewohnern genutzt oder ob sie geschlossen und allenfalls zu einzelnen Veranstaltungen wie z.B. einer Weihnachtsfeier genutzt worden ist. Soweit sie nämlich leer gestanden hat, wäre dies nicht als umsatzsteuerfreie Nutzung anzusehen.

Hinweise: Der BFH hatte den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen, der eine Vorsteuerberichtigung im Grundsatz für rechtmäßig hielt. Der BFH hat sich den Ausführungen des EuGH nun angeschlossen.

Für die Klägerin wäre es umsatzsteuerlich günstiger gewesen, wenn sie die Cafeteria vollständig eingestellt hätte, anstatt noch geringe umsatzsteuerfreie Umsätze aus dem Betrieb der Cafeteria zu erzielen.
 

Quelle: BFH, Urteil vom 27.10.2020 - V R 20/20 (V R 61/17); NWB

Hinweis: Dieser Artikel ist vom 16.03.2021. Bitte achten Sie darauf, dass Informationen zu der genannten Thematik bereits überholt sein könnten.

16.03.2021

NWB Rechnungswesen - BBK

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