Besorgniserregende Umfrageergebnisse?

Die "Buchhalterstudie" in der Diskussion

Von Uta-Martina Jüssen

1. Die Fragwürdigkeit unentgeltlicher Leistungen

In der letzten Ausgabe BC 2015, 377 f. (Heft 8), erschien ein Kommentar des BVBC zu den Umfrageergebnissen der "Buchhalterstudie", die das Softwareunternehmen Agenda durchgeführt hat. Diese haben innerhalb der Berufsgruppe nicht nur Anlass zur Diskussion gegeben, sondern auch zu Irritationen geführt. Verbandskollegen und ich wollen deshalb die teils kritischen Ergebnisse an dieser Stelle – beginnend mit dieser BC-Ausgabe – detaillierter beleuchten.

Um gleich in medias res zu gehen: Besonders die Antworten auf eine Frage dieser Buchhalterstudie verursachte bei mir mittelschweres Entsetzen: 70 % der Befragten bejahen, dass sie unentgeltliche Leistungen erbringen. Dabei stellt sich mir die Frage, wie selbstständige Bilanzbuchhalter ihren Tag strukturieren. Würde man dieses Ergebnis mit einem Einzelhändler vergleichen, bedeutete das: 70 % der Einzelhändler bieten ihre Ware teilweise umsonst an. Mögliche Gründe dafür hat Matthias Lesch bereits in der vorletzten BC-Ausgabe ("Der selbstständige Bilanzbuchhalter und seine größte Herausforderung – der Vertrieb", BC 2015, 313 ff., Heft 7) angesprochen: fehlender Vertrieb und unzureichendes Marketing. In Anbetracht der Mühen und Entbehrungen, die Bilanzbuchhalter auf sich genommen haben, um ihre hochwertige Qualifikation zu erreichen, ist es unverständlich, warum in der selbstständigen Berufsausübung so tief gestapelt wird.

Ein Vergleich mit Berufskollegen im Angestelltenverhältnis zeigt, dass viele leitende Positionen innehaben. Insbesondere als Leiter/in Rechnungswesen ist unser Berufsstand vertreten. Nicht wenige erzielen ein Jahresgehalt um die 100.000 €. Für jeden selbstständigen Bilanzbuchhalter sollte das Ziel sein, die selbstständige Berufsausübung nicht etwa als Notwendigkeit zu betrachten, sondern als eine der besten Möglichkeiten, die eigenen erworbenen Fähigkeiten und Qualifikationen in einem fairen Wettbewerb zu einem sehr guten Preis auf dem Markt zu "verkaufen".

2. Ausweitung des Dienstleistungsspektrums

Widmen wir uns der Frage nach den angebotenen Dienstleistungen: Es fällt auf, dass ein Hauptteil der Befragten (in der genannten Buchhalterstudie) sich auf die erlaubten Tätigkeiten nach § 6 Nr. 4 StBerG beschränkt (u.a. Buchen laufender Geschäftsvorfälle, laufende Lohnabrechnung). Hierbei schließe ich die freie Mitarbeit bei einem Steuerberater mit ein. Die Frage ist jedoch: Haben Sie für das Buchen der laufenden Geschäftsvorfälle tatsächlich diese anspruchsvolle Weiterbildung zum IHK-geprüften Bilanzbuchhalter auf sich genommen, oder hätte dafür nicht auch Ihre kaufmännische Ausbildung ausgereicht?

Diese Frage ist selbstverständlich rhetorischer Natur. Warum also beschränken Sie sich auf die zulässigen Befugnisse des Steuerberatungsgesetzes? Die Möglichkeiten, die ein geprüfter Bilanzbuchhalter in der selbstständigen Berufsausübung hat, sind vielfältig. Leschs Erfahrungsbericht (BC 2015, 313 ff., Heft 7) zeigt nur einige Beispiele anderweitiger Dienstleistungen, die selbstständige Bilanzbuchhalter erbringen können (z.B. Kalkulation und Soll-Ist-Vergleiche). Um Ideen zur Berufsausübung zu sammeln und entsprechende Möglichkeiten aufgezeigt zu bekommen, ist es unausweichlich, zu netzwerken und sich mit Wettbewerbern auseinanderzusetzen. Optimale Voraussetzungen hierzu bieten die jährlichen Arbeitskreistreffen und die eigens für Selbstständige abgestimmten Veranstaltungen des BVBC.

Allgemein verdeutlicht die Umfrage ein hohes fachliches Niveau unserer Berufsgruppe: Fast 50 % der Befragten sind Bilanzbuchhalter, häufig mit mehreren qualifizierten Abschlüssen. Dabei mussten die Befragten sicherlich einen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand erbringen, um diese Abschlüsse zu erreichen. Für jeden Unternehmer dienen Investitionen allerdings einem monetären Zweck, wie dem der Rentabilität und Wertsteigerung. Jeder selbstständige Bilanzbuchhalter sollte demzufolge die Investitionen in seine Weiterbildung in seine Preisgestaltung einbeziehen. Auch deshalb ist ein Stundensatz, wie unter einem anderen Punkt der Umfrage angegeben, von 20 € völlig inakzeptabel (vgl. auch die Diskussion zur Preiskalkulation für selbstständige Bilanzbuchhalter und Controller, BC 2014, 393 (Heft 9), BC 2014, 413 (Heft 10), BC 2014, 480 f. (Heft 11), BC 2014, 522 (Heft 12) und BC 2015, 27 f. (Heft 1).

3. Das Verhältnis zu Steuerberatern

Abschließend möchte ich zu einem anderen wichtigen Punkt kommen: Die Zusammenarbeit mit und Abgrenzung von Steuerberatern. Bilanzbuchhalter sind neben anderen Steuerberatern die größte Konkurrenz für diese Berufsgruppe. Dennoch suchen sie aufgrund unzureichender Ressourcen und Synergien die Zusammenarbeit. Dabei wird es für Steuerberater jedoch immer schwieriger, Bilanzbuchhalter im Angestelltenverhältnis zu gewinnen. Laut den Umfrageergebnissen sind rund 80 % der Selbstständigen der Meinung, Mandanten würden sie wegen des persönlichen Kontakts und der günstigeren Dienstleistungen den Steuerberatern vorziehen. Immerhin 21 % sind der Überzeugung, dass sie spezialisiert und fachlich qualifizierter seien.

Diese Einschätzung kann sicherlich nicht auf die Vorbehaltsaufgaben des Steuerberatungsgesetzes (Hilfeleistung in Steuersachen) abzielen. Demnach muss es sich um Qualifikationen handeln, die ein Steuerberater nicht vorzuweisen hat. Hier stellt sich wiederum die eingangs gestellte Frage, warum wir Bilanzbuchhalter uns nicht genau darauf besinnen und unsere Möglichkeiten und Fähigkeiten nutzen. Zudem: Weshalb geben sich viele Selbstständige mit einem unter ihrem Break-even-Point liegenden Stundensatz im Rahmen der freien Mitarbeit bei einem Steuerberater zufrieden? Das ist insbesondere dann fragwürdig, wenn die Hauptarbeit bei ihnen selbst liegt und womöglich noch eigene Mandanten den Steuerberatern zugeführt werden.

Kurzum: Der Markt und die Möglichkeiten für selbstständige Bilanzbuchhalter sind groß und vielfältig. Da wir im Zusammenhang mit geprüften Bilanzbuchhaltern mittlerweile von einem Mangelberuf sprechen, ist es naheliegend, die daraus entstehende Marktsituation für das eigene berufliche Vorankommen und einen satten Gewinn zu nutzen. Beschränkt man sich nicht nur auf die erlaubten Tätigkeiten nach dem Steuerberatungsgesetz, sondern zeigt sich ein wenig flexibel und blickt über den Tellerrand hinaus, ergeben sich Möglichkeiten in der selbstständigen Berufsausübung, mit denen sich Umsatzerlöse auch jenseits der 100.000 € im Jahr erzielen lassen.

Quelle: Ersterscheinung in "BC – Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling", Heft 9/2015, : Besorgniserregende Umfrageergebnisse?, Uta-Martina Jüssen, Seiten 424 bis 425, mit freundlicher Genehmigung der BC-Redaktion, Verlag C.H.BECK oHG, München (www.bc-online.de).

Uta-Martina Jüssen

Uta-Martina Jüssen ist selbstständige Bilanzbuchhalterin und Personalcoach.

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