Die "Buchhalterstudie" in der Diskussion
Von Matthias Lesch
Seit der Ausgabe 9/2015 wird in diesem Fachorgan lebhaft und auch kontrovers über den Verdienst von selbständigen Bilanzbuchhaltern, deren Dienstleistungsspektrum und das Erfordernis unentgeltlicher Leistungen diskutiert. Ausgangspunkt hierfür waren die im Mai 2015 veröffentlichten Umfrageergebnisse einer "Buchhalterstudie", die von der Agenda Informationssysteme GmbH & Co. KG durchgeführt worden ist (vgl. BC 2015, 377 f., Heft 8).
Bislang wurde dabei jedoch noch nicht auf die "Herausforderungen", also den letzten Teil der Befragung, eingegangen. Hier geht es um die Zahlungsmoral von Kunden, um Mandantengewinnung, um Konkurrenz- und Preisdruck sowie um die Werbung in eigener Sache. Als langjähriger Versicherungsmakler und strategischer Partner des BVBC habe ich hierzu eine ganz eigene Meinung.
Knapp 55 % der Befragten (in der besagten "Buchhalterstudie") geben an, dass ihre Kunden eine schlechte Zahlungsmoral an den Tag legen, und gerade einmal 16 % haben nichts zu beanstanden. Nach meinen Eindrücken verursachen insbesondere finanziell schwache Kunden eine erhöhte Arbeitsbelastung und zahlen dann auch noch schlecht: Die größere Beanspruchung erstreckt sich vom Reporting gegenüber den Banken über zusätzlichen Abstimmungsaufwand aufgrund des Hin und Her bei den Zahlungsaufträgen bis hin zur "psychotherapeutischen" Unterstützung sowie Mitleidsbekundungen gegenüber dem Kunden durch den Selbstständigen. Dies belastet die Selbstständigen letztlich persönlich. Nicht zu vergessen ist die unterschwellige Angst, das verdiente Geld nicht zu erhalten. Interessant wäre daher, ob die Befragten über ein festes Szenario verfügen hinsichtlich vorhandener Mahnvorgänge und deren Folgen für die zukünftige Zusammenarbeit. Die Befragung hätte an dieser Stelle noch genauer erfolgen können.
Bei nicht fristgerechten Zahlungseingängen dürfen Sie eines nicht aus dem Blick verlieren: Ihre Verpflichtungen laufen weiter, und am Ende zahlen Sie die Zeche. Fragen Sie sich also genau, wie viel Prozent Ihres Umsatzes verspätet bezahlt werden und wie lange Sie durchschnittlich auf diese Zahlungen warten müssen.
Das Hauptproblem, dass viele ihrem Geld hinterherlaufen, obwohl sie die betriebswirtschaftlichen Zahlen kennen müssten, liegt meines Erachtens in erster Linie an einer unzureichenden Kommunikation mit den Kunden. Eine ganz einfache Strategie, unliebsame Kunden von Anfang an zu vermeiden, liegt darin, zahlende Kunden zu akquirieren. Wenn jedoch 29 % in der Mandantengewinnung eine große, 28 % eine überwiegende und 24 % eine teilweise Herausforderung sehen, wird klar, wie schwierig das für einige ist.
Meine Gespräche mit selbstständigen Bilanzbuchhaltern bestätigen, dass sie sich mit dem Punkt der Akquise allesamt – bis auf wenige Ausnahmen – sehr schwer tun. Es fällt meinen Gesprächspartnern unglaublich schwer, das vorhandene Wissen "an den Mann zu bringen". Dabei kommt es insbesondere darauf an, in einer kundenfreundlichen Sprache zu sprechen, Lösungen aufzuzeigen, Zielvereinbarungen zu treffen, kontaktfreudig und offen zu sein sowie beharrlich am möglichen Kunden dranzubleiben.
Viele Bilanzbuchhalter scheinen sich jedoch in erster Linie damit zu beschäftigen, welche Befugnisse ihnen verwehrt sind, statt mit den Dingen, die sie unternehmen könnten. Das kommt auch in der Umfrage deutlich zum Ausdruck. So geben knapp 54 % der Befragten an, dass sie sich mit dem Thema "Werbung" schwer tun, obgleich es hier klare Regelungen gibt, mit denen man sich lediglich temporär beschäftigen muss, um eine Lösung zu finden. Noch einfacher ist es, sich in einem Verband wie dem BVBC zu organisieren, um über die aktuelle Lage informiert zu sein.
Verwunderlich ist allerdings, dass sich der überwiegende Teil der Befragten mit den berufsrechtlichen Beschränkungen auskennt und trotzdem nicht in Tätigkeitsbereichen für sich wirbt, die ihnen erlaubt sind (z.B. betriebswirtschaftliche Beratung). Es scheint auch hier eher ein emotionales Problem vorzuliegen. Denn gerade einmal 8 % sehen sich von der aktuellen berufsrechtlichen Lage nicht negativ tangiert. Der Rest zieht mit Magenschmerzen und angezogener Handbremse durchs Land. Der reiche chinesische Kaufmann und spätere Reichskanzler Lü Bu We (um 300–235 v. Chr.) brachte es seinerzeit zutreffend auf den Punkt: "Die Feststellung der Begriffe und die Begrenzung der Befugnisse sind die Zügel der Herrschaft."
Laut den Umfrageergebnissen teilen die Selbstständigen, nachdem sie einen Kunden gewonnen haben, ihren Mandanten offen mit, welche Aufgaben sie übernehmen. Die regelmäßig gemeldeten Schadenfälle in meinem Versicherungsunternehmen zeigen jedoch ein anderes Bild: Leider drücken sich selbstständige Bilanzbuchhalter allzu häufig davor, kritische Punkte anzusprechen. Das gilt insbesondere für Existenzgründer, nebenberuflich Tätige und Kunden mit Umsatzproblemen, bei denen das Geld oftmals nicht für eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung reicht.
Ein Problem, das zu dieser Situation beiträgt, liegt im Preisdruck, dem sich viele Selbstständige ausgesetzt sehen. Nach meinen Beobachtungen verderben häufig nebenberuflich Selbstständige die Preise am Markt. Sie kalkulieren viel zu niedrig, weil ihre Umsatzerlöse aus der selbstständigen Tätigkeit oft nicht zur Deckung des Lebensunterhalts dienen, sondern als zusätzliche Einnahmequelle. Diese Personen buchen allerdings in der Regel nur laufende Geschäftsvorfälle und kümmern sich nicht um die betriebswirtschaftliche Beratung. Dennoch werden hoch qualifizierte Bilanzbuchhalter häufig mit solchen Buchhaltern in einen Topf geworfen. Stundensätze zwischen 15 € und 20 € sind dann keine Seltenheit.
Umso merkwürdiger ist jedoch das Ergebnis der Buchhalterbefragung hinsichtlich der gefühlten Konkurrenzsituation, die Steuerberater gegenüber Buchhaltern empfinden sollen. Hier geht es wohl nur um Preiskämpfe, die von einem sehr niedrigen Stundensatz ausgehen. Auf der anderen Seite spüren knapp 50 % der Befragten die große Konkurrenz, die von Steuerberatern ausgeht. Die Zeiten des Geldverdienens bei der bloßen Übernahme der Buchführung sind allerdings für Buchhalter und Steuerberater vorbei. Komplettlösungen der betriebswirtschaftlichen Beratung sind am Markt gefragt. Leider positionieren sich nach wie vor zu viele Bilanzbuchhalter nicht entsprechend ihrer Qualifikation. Eine Erkenntnis aus dem Sport sollte daher Mahnung und Ansporn sein: Ein Spitzensportler im Fußball, der in einer unterklassigen Mannschaft spielt, fällt über kurz oder lang auf dasselbe Niveau.
Quelle: Ersterscheinung in "BC – Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling", Heft 12/2015, : Vor welchen Herausforderungen selbstständige Bilanzbuchhalter stehen, Matthias Lesch, Seiten 551 bis 552, mit freundlicher Genehmigung der BC-Redaktion, Verlag C.H.BECK oHG, München (www.bc-online.de).
Matthias Lesch ist Geschäftsführer des Versicherungsmaklerbüros modus.Matthias Lesch GmbH und Leiter von modus.ivers, dem Institut für die Versicherungspraxis in Meckenheim.
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