15.09.2017

Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung

Eine sog. tatsächliche Verständigung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt entfaltet keine Bindungswirkung, wenn die Geschäftsgrundlage, die der Verständigung zugrunde lag, von vornherein gefehlt hat und die Beteiligten dies erst später merken.

Hintergrund

Mit einer tatsächlichen Verständigung kann man sich mit dem Finanzamt über einen streitigen Sachverhalt einigen, z.B. über die Größe oder den Grad der Bodenverunreinigung eines Grundstücks. Diese tatsächliche Verständigung ist dann für beide bindend. Eine tatsächliche Verständigung über Rechtsfragen, d.h. über die rechtliche Wertung des Sachverhalts, ist hingegen nicht zulässig.

Sachverhalt

Die Kläger machten im Veranlagungszeitraum 2007 einen Verlust aus einer Auflösung einer GmbH geltend. Im Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) trafen die Kläger auf Vorschlag des FG eine tatsächliche Verständigung mit dem Finanzamt, dass der Auflösungsverlust bereits im Veranlagungszeitraum 2005 zu berücksichtigen sei; dabei gingen die Kläger und das Finanzamt davon aus, dass gegen den Bescheid für 2005 noch ein Einspruch anhängig sei. Als das Finanzamt den Bescheid für 2005 zu Gunsten der Kläger ändern wollte, stellte sich heraus, dass der Einspruch gegen den Bescheid für 2005 bereits vor Längerem zurückgenommen worden war und der Bescheid für 2005 nicht mehr geändert werden konnte. Die Kläger führten nun ihre Klage gegen den Bescheid für 2007 fort.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) gaben der Klage in verfahrensrechtlicher Hinsicht statt und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das FG zurück:

  • Zwar sind die Beteiligten grundsätzlich an eine tatsächliche Verständigung gebunden, so dass danach der Auflösungsverlust an sich im Jahr 2005 dem Grunde als entstanden gilt.
  • Diese Bindung kann aber ausnahmsweise nachträglich entfallen, wenn eine Geschäftsgrundlage, die die Beteiligten irrtümlich angenommen haben, entweder von vornherein gefehlt hat oder wenn sie nachträglich weggefallen ist und wenn einem der beiden Beteiligten ein Festhalten an der tatsächlichen Verständigung nicht mehr zuzumuten ist; dieser Beteiligte kann dann von der tatsächlichen Verständigung zurücktreten.
  • Im Streitfall sind sowohl die Kläger als auch das Finanzamt bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung davon ausgegangen, dass der Verlust noch im Bescheid für 2005 berücksichtigt werden kann, weil gegen diesen Bescheid Einspruch eingelegt worden ist. Sie hätten die Verständigung nicht getroffen, wenn sie gewusst hätten, dass der Verlust aus verfahrensrechtlichen Gründen gar nicht mehr berücksichtigt werden kann. Daher konnten die Kläger von der tatsächlichen Verständigung zurücktreten.

Hinweise

Das FG muss nun im 2. Rechtsgang ermitteln, ob und ggf. in welcher Höhe im Jahr 2007 ein Auflösungsverlust zu berücksichtigen ist.

Unbeachtlich war, dass die Kläger hätten erkennen können, dass der Einspruch gegen den Bescheid für 2005 bereits zurückgenommen worden war. Denn auch das Finanzamt hätte dies erkennen können. Im Ergebnis kommt es also nicht darauf an, ob die Fehlvorstellung der Kläger unverschuldet war. Dennoch sollte in der Praxis eine tatsächliche Verständigung, die Auswirkungen auf andere Zeiträume hat, nur nach gründlicher Prüfung der verfahrensrechtlichen Umsetzbarkeit und der steuerlichen Folgen getroffen werden.

Hinweis: Dieser Artikel ist vom 15.09.2017. Bitte achten Sie darauf, dass Informationen zu der genannten Thematik bereits überholt sein könnten.

15.09.2017

NWB-Rechnungswesen - BBK

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