16.04.2021
Das Finanzamt kann die Gestattung der Ist-Besteuerung zurücknehmen, wenn der Unternehmer unrichtige Angaben hinsichtlich seines voraussichtlichen Gesamtumsatzes gemacht hat. Die Höhe des Gesamtumsatzes im Gründungsjahr ist nach den voraussichtlichen Verhältnissen des Gründungsjahres zu ermitteln und auf das gesamte Jahr hochzurechnen; dabei sind die Grundsätze der Soll-Besteuerung anzuwenden, so dass es auf die Erbringung der Leistung des Unternehmers und nicht auf die Bezahlung durch den Kunden ankommt.
Hintergrund: Grundsätzlich entsteht die Umsatzsteuer mit der Ausführung der Leistung, so dass es auf die Bezahlung durch den Kunden nicht ankommt (sog. Soll-Besteuerung). Auf Antrag kann der Unternehmer die sog. Ist-Besteuerung anwenden, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt. U.a. darf sein Gesamtumsatz aktuell nicht höher als 600.000 € sein (bis einschließlich 2019 lag die Grenze bei 500.000 €).
Sachverhalt: Der Bundesfinanzhof (BFH) musste über zwei Streitfälle entscheiden, die ähnlich gelagert waren. Die Klägerin in einem der beiden Fälle war eine am 20.9.2011 gegründete GbR, die Photovoltaikanlagen errichtete. Sie beantragte beim Finanzamt die Ist-Besteuerung und erklärte, dass sie im Jahr 2011 voraussichtlich Umsätze in Höhe von 30.000 € erzielen würde. Das Finanzamt gestattete daraufhin am 15.12.2011 die Ist-Besteuerung. Die Klägerin hatte allerdings im November 2011 bereits einen Vertrag über die Errichtung einer Photovoltaikanlage zum Gesamtpreis von ca. 1.258.000 € netto abgeschlossen und für die Montage ein Teilentgelt von 450.000 € zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Im Dezember schloss sie die Montage ab und stellte ihrem Auftraggeber 450.000 € zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung. Der Auftraggeber zahlte ihr noch im Jahr 2011 einen Teilbetrag von ca. 78.000 €. Als das Finanzamt davon erfuhr, nahm es die Gestattung der Ist-Besteuerung zurück.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichteten Klagen ab:
Hinweise: Für die Ermittlung des Gesamtumsatzes im Gründungsjahr zwecks Ist-Besteuerung gelten im Grundsatz die gleichen Grundsätze wie bei einem Kleinunternehmer im Gründungsjahr. Beim Kleinunternehmer wird ebenfalls der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresumsatz umgerechnet und dann geprüft, ob die Umsatzgrenzen für einen Kleinunternehmer eingehalten werden.
Der BFH widerspricht der Auffassung der Klägerin, dass bei jeder Unternehmensgründung im Erstjahr stets die Voraussetzungen für eine Ist-Besteuerung erfüllt sind. Unternehmen, die – wie die Klägerin – bereits im Stadium der Neugründung die Umsatzgrenze von 600.000 € bzw. 500.000 € (vor dem Jahr 2020) überschreiten, benötigen die Erleichterung der Ist-Besteuerung nicht. Diese ist nur kleineren Unternehmen vorbehalten.
Quelle: BFH, Urteile vom 11.11.2020 - XI R 40/18 und XI R 41/18; NWB
Hinweis: Dieser Artikel ist vom 16.04.2021. Bitte achten Sie darauf, dass Informationen zu der genannten Thematik
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