16.08.2018

Vorsteuerabzug bei bloßer Briefkastenanschrift des Rechnungsausstellers möglich

Der Bundesfinanzhof (BFH) ändert seine Rechtsprechung zu Gunsten von Unternehmen und lässt nunmehr den Vorsteuerabzug auch aus solchen Rechnungen zu, in denen der leistende Unternehmer und Rechnungsaussteller lediglich seine Briefkastenadresse angegeben hat, nicht aber die Adresse, unter der er wirtschaftlich aktiv geworden ist. Der leistende Unternehmer und Rechnungsaussteller muss unter der angegebenen Anschrift aber im Ausstellungszeitpunkt der Rechnung erreichbar sein.

Hintergrund: Der Vorsteuerabzug eines Unternehmers setzt voraus, dass er über eine ordnungsgemäße Rechnung des leistenden Unternehmers verfügt. Nach dem deutschen Gesetz muss der leistende Unternehmer in seiner Rechnung seinen vollständigen Namen und seine vollständige Anschrift angeben.

Streitfälle: Der BFH musste in zwei verschiedenen Fällen entscheiden. In dem einen Fall ging es um einen Kfz-Händler, der die Vorsteuer aus den Rechnungen eines Online-Händlers abziehen wollte. Der Online-Händler hatte in den Rechnungen eine Anschrift angegeben, unter der er postalisch erreichbar, tatsächlich aber nicht wirtschaftlich aktiv geworden war; seine wirtschaftliche Tätigkeit übte er nämlich von einem anderen Ort aus.

Der andere Fall betraf einen Schrotthändler, der von einer im deutschen Handelsregister eingetragenen GmbH Schrott bezog. Diese GmbH verfügte unter ihrer im Handelsregister eingetragenen Anschrift in A-Stadt über keine eigenen Geschäftsräume, sondern nutzte das Telefon und Telefax sowie einen Schreibtisch einer Anwaltskanzlei, deren Anschrift und Kommunikationsmittel noch 20 weiteren Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden. Die GmbH, die von einem Ungarn geleitet wurde und ungarische Lkw einsetzte, bewahrte ihre Geschäftsunterlagen in Ungarn auf. In den Rechnungen war die Anschrift in A-Stadt angegeben.

Das Finanzamt erkannte sowohl im Fall des Kfz-Händlers als auch im Fall des Schrotthändlers die Vorsteuer nicht an.

Entscheidungen: Der BFH gab in beiden Fällen den Klagen im Grundsatz statt, nachdem er im Fall des Kfz-Händlers den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen und dieser die Ordnungsmäßigkeit der Eingangsrechnung bejaht hatte:

  • Danach genügt es, wenn der Rechnungsaussteller und Lieferant eine Anschrift verwendet, unter der er erreichbar ist. Dies kann auch eine bloße Briefkastenanschrift sein, unter der er sein Unternehmen offiziell angemeldet hat.
  • Der BFH schließt sich dem EuGH an und hält an seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach eine bloße Briefkastenanschrift nicht ausreicht, nicht mehr fest. Es ist daher nicht erforderlich, dass der Rechnungsaussteller unter seiner in der Rechnung angegebenen Anschrift wirtschaftlich aktiv geworden ist.
  • In beiden Fällen war der jeweilige Rechnungsaussteller und Lieferant unter seiner angegebenen Anschrift erreichbar. Damit stand beiden Klägern im Grundsatz der Vorsteuerabzug zu. Der BFH verwies die Sache im Fall des Kfz-Händlers aber an das Finanzgericht zurück, weil dieses noch die Höhe des Vorsteuerabzugs klären muss.

Hinweise: Die beiden Urteile sind zwar keine Überraschung mehr, nachdem bereits der EuGH Ende letzten Jahres die bisherigen Anforderungen an die Anschrift des Rechnungsausstellers und Lieferanten als zu streng angesehen hat. Dennoch besteht nunmehr endgültig Klarheit, dass Briefkastenanschriften und statuarische Anschriften, d.h. die im Handelsregister eingetragenen Anschriften, für den Vorsteuerabzug des Rechnungs- und Leistungsempfängers genügen.

Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt: Denn die postalische Erreichbarkeit der genannten Anschrift muss im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung gegeben sein. Daher sind Scheinadressen nicht ausreichend. Außerdem muss die in der Rechnung bezeichnete Leistung natürlich auch tatsächlich erbracht worden sein, und es müssen auch die übrigen Rechnungsanforderungen wie z.B. die Bezeichnung der erbrachten Leistung erfüllt sein.

Ist dies der Fall, ist es nach der aktuellen Entscheidung zum Schrotthändler für dessen Vorsteuerabzug unschädlich, falls der Rechnungsaussteller und Lieferant in eine Umsatzsteuerhinterziehung verwickelt gewesen sein sollte.

Ein weiterer, vergleichbarer Fall eines anderen Senats des BFH ist zu dieser Frage noch anhängig, nachdem der EuGH auch in diesem Fall die Ordnungsmäßigkeit der Rechnung bejaht hatte. Eine anderslautende Entscheidung ist daher nicht zu erwarten.

Quelle: BFH, Urteile v. 21.6.2018 - V R 25/15 (Kfz-Händler) und V R 28/16 (Schrotthändler), NWB

Hinweis: Dieser Artikel ist vom 16.08.2018. Bitte achten Sie darauf, dass Informationen zu der genannten Thematik bereits überholt sein könnten.

16.08.2018

NWB Rechnungswesen - BBK

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