10.10.2016

Vorsteuerabzug bei gemischt-genutzten Gebäuden

Die Vorsteuer aus den Herstellungskosten für ein gemischt-genutztes Gebäude, das also sowohl umsatzsteuerfrei als auch umsatzsteuerpflichtig vermietet werden soll, ist nach dem sog. Flächenschlüssel aufzuteilen. Die Vorsteuer ist also nur insoweit abziehbar, als die Fläche umsatzsteuerpflichtig vermietet wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die umsatzsteuerpflichtig vermieteten Flächen und die umsatzsteuerfrei vermieteten Flächen vergleichbar sind. Anderenfalls ist der sog. Umsatzschlüssel anwendbar.

Hintergrund: Der Vorsteuerabzug setzt voraus, dass der Unternehmer umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausführt. Vermietungen an andere Unternehmer können umsatzsteuerpflichtig erfolgen, so dass der Vorsteuerabzug möglich ist, z.B. bei der Vermietung von Gewerbeflächen. Vermietungen an Privatmieter sind hingegen umsatzsteuerfrei, so dass der Vorsteuerabzug nicht möglich ist.
Umstritten ist dabei, welcher Aufteilungsschlüssel gilt, wenn das Gebäude gemischt genutzt wird, also sowohl umsatzsteuerpflichtig als auch umsatzsteuerfrei vermietet wird. In Betracht kommen der Umsatzschlüssel, der nach deutschem Recht, nicht aber nach europäischem Recht grundsätzlich ausgeschlossen ist, und der sog. Flächenschlüssel.

Sachverhalt: Die Klägerin errichtete in den Jahren 1999 bis 2004 ein Wohn- und Geschäftshaus, das sie sowohl umsatzsteuerpflichtig als auch umsatzsteuerfrei vermieten wollte. Sie machte ca. 78 % der ihr in Rechnung gestellten Umsatzsteuern als Vorsteuern geltend, indem sie die Vorsteuern nach dem Umsatzschlüssel aufteilte; denn 78 % ihrer Mieten sollten umsatzsteuerpflichtig sein. Das Finanzamt erkannte im Jahr 2004 aber nur einen Vorsteuerabzug im Umfang von 38 % an, weil es den Flächenschlüssel anwendete; nur 38 % der vermieteten Fläche wurden umsatzsteuerpflichtig vermietet. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte den Europäischen Gerichtshof angerufen, der im Juni die Grundsätze für die Vorsteueraufteilung im Streitfall vorgegeben hat. Nun hat der BFH das Verfahren wieder übernommen und entschieden.

Entscheidung: Der BFH verwies die Sache nun seinerseits an das Finanzgericht (FG) zurück und machte hierfür folgende Vorgaben:

  • Bei dem Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten kommt es nicht darauf an, in welchem Gebäudeteil die Leistung, aus der Vorsteuer geltend gemacht wird, verbaut wird. Denn eine Zuordnung der bezogenen Bauleistungen zu den einzelnen Gebäudeteilen wäre viel zu komplex und daher nur schwer durchführbar. Die ausführenden Bauunternehmer gliedern ihre Rechnungen und Leistungen nämlich regelmäßig nicht auf die einzelnen Gebäudeteile auf. Entsprechendes gilt für die Vorsteuer aus den Anschaffungskosten, wenn beim Kauf der Immobilie auf die gesetzliche Umsatzsteuerfreiheit verzichtet worden ist.
  • Die Aufteilung der Vorsteuer richtet sich vielmehr grundsätzlich nach dem Flächenschlüssel der Immobilie. Der Flächenschlüssel ist präziser als der Umsatzschlüssel der Immobilie und erst recht präziser als der Schlüssel nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens, in den auch Nicht-Vermietungsumsätze eingehen.
  • Der Flächenschlüssel wird allerdings durch den Umsatzschlüssel der Immobilie verdrängt, wenn die Nutzflächen nicht miteinander vergleichbar sind. Dies ist der Fall, wenn die Ausstattung der umsatzsteuerpflichtig vermieteten Flächen bezüglich der Höhe der Räume, der Dicke der Wände und Decken oder Innenausstattung erhebliche Unterschiede aufweist. Der Umsatzschlüssel gilt auch dann, wenn es um das Dach des Gebäudes und um Nutzflächen innerhalb des Gebäudes, die sich nicht zu einer Gesamtnutzfläche addieren lassen.
  • Geht es hingegen um die Vorsteuer aus den laufenden Grundstückskosten, z.B. Reparaturen, ist die Bau- bzw. Reparaturleistung den einzelnen Gebäudeflächen zuzuordnen. Erfolgt die Reparatur also in den umsatzsteuerpflichtig vermieteten Räumen, ist die Vorsteuer abziehbar, nicht aber, wenn sie in der Wohnung eines Privatmieters durchgeführt wird.
  • Wird das Gebäude für Umsätze des gesamten Unternehmens eingesetzt, z.B. als Verwaltungsgebäude, gilt der Gesamtumsatzschlüssel, in den nicht nur die Vermietungsumsätze sondern alle Umsätze des Unternehmers eingehen.

Hinweise

Beim BFH gibt es noch einen weiteren Umsatzsteuersenat. Es bleibt abzuwarten, ob dieser sich dem aktuellen Urteil anschließt; denn in der Vergangenheit gab es zwischen beiden Senaten durchaus unterschiedliche Lösungsansätze.

Im Streitfall muss nun das FG noch prüfen, ob die Ausstattung der umsatzsteuerpflichtig vermieteten Gewerbeflächen mit der Ausstattung der umsatzsteuerfrei vermieteten Wohnungen vergleichbar war. Falls ja, gilt der Flächenschlüssel, anderenfalls gilt der Umsatzschlüssel der Immobilie.

Quelle: BFH-Urteil vom 10.8.2016 - XI R 31/09

Hinweis: Dieser Artikel ist vom 10.10.2016. Bitte achten Sie darauf, dass Informationen zu der genannten Thematik bereits überholt sein könnten.

10.10.2016

NWB-Rechnungswesen - BBK

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