Die "Buchhalterstudie" in der Diskussion
Von Heike Kreten-Lenz
In den vorangegangenen Ausgaben BC 2015, 424 f. (Heft 9), und BC 2015, 452 ff. (Heft 10), haben Uta-Martina Jüssen und Peter Hergoss kontrovers über das Erfordernis unentgeltlicher Leistungen durch Selbstständige sowie über den Verdienst von selbstständigen Bilanzbuchhaltern diskutiert. Ausgangspunkt hierfür waren die im Mai 2015 veröffentlichten Umfrageergebnisse einer "Buchhalterstudie", die von der Agenda Informationssysteme GmbH & Co. KG durchgeführt worden ist (vgl. BC 2015, 377 f., Heft 8). Dem Thema "Rentabilität der selbstständigen Bilanzbuchhalter" wurde in der Online-Befragung viel Raum gegeben, womit ich mich in meiner Analyse näher auseinandersetzen möchte.
Preisfrage: Was ist der Unterschied zwischen Gewinn und Umsatz?
Kurze Antwort: Umsatz ist alles, was Sie durch Ihre selbstständige Tätigkeit an Geld einnehmen. Davon bezahlen Sie Ihre Kosten, Steuern, Gebühren usw. Was übrig bleibt, ist Ihr Gewinn.
Was sagt der Umsatz eines Unternehmens über dessen Rentabilität aus? [Mit der Rentabilität als Division von Gewinn durch das eingesetzte Kapital wird der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens beurteilt.] Richtig – gar nichts. Sie können 1 Mio. € Umsatz erwirtschaften; wenn davon – nach Abzug aller Ausgaben – aber nur 2 % Gewinn übrig bleiben, ist das sehr mager. Somit lohnt es sich insbesondere, einen Blick auf die Gewinne zu werfen, die selbstständige Bilanzbuchhalter erwirtschaften.
Hierzu greifen wir auf die Gehalts- und Strukturanalyse des BVBC aus dem Jahr 2007 zurück (Kreten-Lenz/Hennige, BC 2007, 318 ff., Heft 11). 2007 lag das Gewinnspektrum der selbstständigen Bilanzbuchhalter zwischen 8.000 € und 60.000 €. 35 % der Befragten konnten damals lediglich einen Gewinn zwischen 16.000 € und 44.000 € erwirtschaften. 25 % der Befragten erzielten Gewinne über 44.000 €.
Auch im Zusammenhang mit diesen Ergebnissen stellt sich für mich ganz klar die Frage: Arbeiten Sie für die richtigen Kunden? Die Kunden, die Ihre Arbeit wertschätzen, die wissen, welches Know-how (wissen diese es wirklich?) Sie mitbringen und welche Unterstützung Sie dem Kunden bieten können, indem Sie ihm helfen, sein Unternehmen durch die betriebswirtschaftlich nicht immer ganz ungefährliche Fahrrinne zu lotsen.
Die Buchhalterseite der Agenda Informationssysteme GmbH & Co. KG ermittelte in ihrer Umfrage auch, wie sich der Umsatz der Befragten in den letzten drei Jahren entwickelte und was die Gründe für Steigerungen sind. Ergebnis: 50 % der Befragten konnten ihren Umsatz steigern – und zwar im Wesentlichen (85 %) dadurch, dass neue Mandanten gewonnen wurden und 40 % der Befragten ihre Arbeitszeit erhöht haben. Aha – und zu welchem Stundensatz? Verdienen Sie tatsächlich das, was Sie verdienen?
Echtes Selbstbewusstsein scheinen lediglich 37 % der Befragten bewiesen zu haben, denn sie gaben an, dass sie Preiserhöhungen durchgeführt haben, um den Umsatz (Gewinn?) zu steigern.
74 % der Befragten geben an, ihre Rentabilität intensiv im Blick zu haben (das sollte man von einem selbstständigen Bilanzbuchhalter auch erwarten!). Wirft man jedoch einen Blick auf die Antworten der nächsten Frage, könnten doch Zweifel aufkommen: Denn 61 % sind der Meinung, dass das Angestelltenverhältnis finanziell attraktiver war als die Selbstständigkeit (die damit wohl kaum rentabel sein dürfte!).
Der BVBC hat in seiner letzten Strukturanalyse der Selbstständigen 2007 gefragt: "Warum haben Sie sich selbstständig gemacht?"
Seinerzeit gaben 55 % der Befragten als Hauptgrund "den Wunsch nach weisungsunabhängiger Arbeit" an – also ein Anlass, der tatsächlich auf eine gewollte und bewusst getroffene Entscheidung zur Selbstständigkeit hinzielt. Immerhin noch 36 % sahen die "besseren Verdienstmöglichkeiten" als Motiv für die Selbstständigkeit an. Wenn wir diese Ergebnisse als Grundlage nehmen, muss man sich fragen: Wie kommt es, dass heute lediglich 39 % der Befragten ihre Selbstständigkeit als finanziell attraktiv einstufen?
Aufschluss hierüber gibt die Beantwortung folgender Frage: Wie sehen sich Bilanzbuchhalter in ihrer Rolle als Selbstständige? Als Fachkraft, die lediglich den Arbeitgeber gewechselt hat und jetzt in ihrem eigenen Unternehmen angestellt ist? Wenn dies der Fall ist, ist das Ergebnis nicht überraschend; denn eine Fachkraft arbeitet im Unternehmen und trägt kaum etwas dazu bei, ein Unternehmen zu entwickeln. Erfahrungsgemäß sind das Tagesgeschäft und vordringliche Problemlösungen so zeitraubend, dass den langfristigen Zielen oft zu wenig Beachtung geschenkt wird. Gerade für völlig neue Ideen und Innovationen ist die Zeit meist zu kurz. Doch genau diese sind unbezahlbar für eine langfristige Strategie – wenn man denn eine hat.
Erst wenn den Selbstständigen klar ist, dass die neue Rolle auch Arbeit am Unternehmen erfordert, um erfolgreich zu sein, wird die Selbstständigkeit Spaß machen und zugleich finanziell attraktiv werden.
Planen Sie deshalb regelmäßig Termine für die Arbeit am Unternehmen, und tragen Sie diese in Ihren Terminkalender ein! Behandeln Sie diese Termine so, als ob es Termine mit einem Kunden wären, der Ihnen Geld bringen würde. Und in der Tat ist es auch so, dass Ihnen diese Termine Geld bringen werden – nur eben nicht gleich.
Quelle: Ersterscheinung in "BC – Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling", Heft 11/2015, : Rentabilität als Schlüsselfaktor der Selbstständigkeit, Heike Kreten-Lenz, Seiten 519 bis 520, mit freundlicher Genehmigung der BC-Redaktion, Verlag C.H.BECK oHG, München (www.bc-online.de).
Heike Kreten-Lenz ist Inhaberin von WOW!-COACHING in Ochtendung.
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